Der Schutz der Staatsgrenze der DDR
Völkerrechtliche Grundlagen
Rechtmäßigkeit des Schutzes der Staatsgrenze der DDR
Das Völkerrecht regelt die
Beziehungen zwischen den Staaten. Die Staatsgrenzen sind folgerichtig
Gegenstand völkerrechtlicher Festlegungen. Diese werden durch die Umsetzung in
innerstaatliches Recht (Gesetze usw.) zur Rechtsgrundlage innerstaatlichen
Handelns. Die Deutsche Demokratische Republik ist als sozialistischer Staat und
gemäß ihrer geschichtlichen Verantwortung, alles zu tun, damit vom deutschen
Boden nie wieder Krieg ausgeht, zutiefst an der konsequenten Einhaltung und
Durchsetzung des Völkerrechts interessiert. In internationalen Verträgen sowie
in der innerstaatlichen Gesetzgebung .verleiht sie diesem Interesse,
Rechtskraft und trägt damit dazu bei, daß solche Prinzipien wie die Achtung der
staatlichen Souveränität, die Nichteinmischung in. die Angelegenheiten anderer
Staaten, der Verzicht auf die Anwendung bzw. Androhung von Gewalt, die uneingeschränkte
Anerkennung der Unverletzlichkeit der im Ergebnis des zweiten Weltkrieges und
der Nachkriegsentwicklung entstandenen Grenze u. a. m. in den Beziehungen der
Staaten in Europa verwirklicht werden. Das konsequente Eintreten der DDR für
die Einhaltung und Durchsetzung der Normen des Völkerrechts ist verbunden mit
ihrer energischen Haltung gegenüber Verstößen jeder Art. Ist doch jede
Infragestellung des Völkerrechts in den Beziehungen zwischen den Staaten
unseres Kontinents ein Versuch, den Status-Quo in Europa anzutasten,
Verunsicherung und Mißtrauen zwischen den Völkern zu säen und einer Wende von
der Konfrontation zur Entspannung zwischen der NATO und dem Warschauer Vertrag
entgegenzuwirken.
Die prinzipielle Einstellung der
DDR zum Völkerrecht bezieht sich auch auf Fragen ihrer Staatsgrenze und auf den
grenzüberschreitenden Verkehr. Beides wird in zwischenstaatlichen Verträgen auf
der Grundlage des Völkerrechts geregelt.
Für den Dienst an der
Staatsgrenze der DDR ist die Aneignung von Völkerrechtskenntnissen in folgenden
Bereichen wesentlich:
1. über die allgemeinen Prinzipien und Normen des
Völkerrechts, die auch für die Fragen der Staatsgrenzen und des
grenzüberschreitenden Verkehrs von Bedeutung sind
2. über die völkerrechtlichen Grundlagen des Verlaufs der
Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik.
Das betrifft vor allem die im
Ergebnis des zweiten Weltkrieges festgelegte Grenze (Demarkationslinie) der
damaligen sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, die sich mit der Gründung
der Deutschen Demokratischen Republik zur Staatsgrenze entwickelte.
Sie beziehen sich aber auch auf
Vereinbarungen der DDR mit Berlin (West) z. B. über Gebietsaustausche, in deren
Ergebnis der Verlauf der Staatsgrenze zum gegenseitigen Vorteil geändert wurde.
3. über die völkerrechtlichen Verträge und Übereinkommen,
die die Deutsche Demokratische Republik in Grenzangelegenheiten mit ihren
Nachbarstaaten abgeschlossen hat
Ihr Gegenstand reicht von der
Abgrenzung der Territorialgewässer und des Festlandsockels In der Ostsee über
die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten in Grenzangelegenheiten bis hin zur
Markierung der Staatsgrenze.
4. über die völkerrechtswidrigen revanchistischen Ansprüche
und Positionen, die die Bundesrepublik Deutschland auch in Grenzangelegenheiten
am Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts noch immer geltend zu machen
versucht.
Vielfältige Angriffe gegen die
Schutz- und Sicherungsmaßnahmen der DDR an der Staatsgrenze zur BRD und zu
Berlin (West) stützen sich auf diese revanchistischen Positionen. Das reicht
vom (vorgeblich friedlichen) Streben nach Veränderung der im Ergebnis des
zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsentwicklung entstandenen Grenzen bis zu
anmaßenden Forderungen an das Grenzregime souveräner Staaten.
Nach diesen Schwerpunkten ist
auch der Dokumententeil des vorliegenden Materials gegliedert. Er wird durch
die Erläuterung von Begriffen ergänzt, deren Kenntnis für das Verstehen der
zitierten Dokumente notwendig ist.
Überlegungen zum Verhältnis von
Völkerrecht und Grenzdienst erhöhen das Verständnis für die Notwendigkeit
standhafter Pflichterfüllung der Angehörigen der Grenztruppen, ihren
Klassenauftrag zu erfüllen, an der Seite der NVA und der anderen bewaffneten
Organe die sozialistische Ordnung und das friedliche Leben der Bürger gegen
jeden Feind zu schützen, die souveränen Rechte der DDR bis zum Verlauf der
Staatsgrenze durchzusetzen sowie die territoriale Integrität und die
Unverletzlichkeit der Grenzen zu gewährleisten. Der Schutz der Staatsgrenzen
erfordert zuerst und vor allem, dafür zu sorgen, daß sie nicht gewaltsam
verändert werden. Das ist eine zentrale Aufgabe im Kampf um die Erhaltung des
Friedens. Sie dient der Durchsetzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots, das
den Staaten verbietet, zur Lösung von Streitfragen in den internationalen
Beziehungen Gewalt (militärische Gewalt) anzuwenden. Die von der
Vollversammlung der Vereinten Nationen beschlossene Definition der Aggression
macht den Zusammenhang von Unverletzlichkeit der Staatsgrenzen und Aggressions-
und Gewaltverbot deutlich. Sie wird deshalb im Dokumententeil auszugsweise
wiedergegeben.
In Durchsetzung des
Aggressionsverbots erzwingen die Streitkräfte des Warschauer Vertrages überall
dort den Respekt vor den Staatsgrenzen der Teilnehmerstaaten, wo es notwendig
ist. Denn aus der Verankerung der Unverletzlichkeit der Grenzen und dem Gewaltverbot
im Völkerrecht folgt nicht, daß sie auch tatsächlich — sozusagen automatisch —
durch die imperialistischen Staaten respektiert werden. Mehr noch: Das
Völkerrecht selbst hat sich in einem langwierigen Prozeß herausgebildet und
seine Durchsetzung ist auch In der Gegenwart mit einer harten
Auseinandersetzung verbunden. Durchgesetzt werden muß die unter maßgeblicher
Mitwirkung der UdSSR entstandene Charta der Vereinten Nationen, in der es
heißt: «Alle Mitglieder enthalten sich in ihren internationalen Beziehungen der
Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung, die gegen die territoriale
Unverletzlichkeit oder politische Unabhängigkeit irgendeines Staates gerichtet
oder in irgendeiner anderen Weise mit den Zielen der Vereinten Nationen
unvereinbar ist. Betrachtet man die
aggressiven Handlungen z. B. der USA gegenüber Nikaragua bis hin zum Persischen
Golf, dann wird deutlich, daß das Völkerrecht sich nicht im Selbstlauf
durchsetzt. Durchgesetzt werden muß auch das auf Initiative der sozialistischen
Staaten in der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in
Europa (KSZE) verankerte Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen. So heißt es
in dem 1975 in Helsinki unterzeichneten Dokument: „Die Teilnehmerstaaten
betrachten gegenseitig alle ihre Grenzen sowie die Grenzen aller Staaten in
Europa als unverletzlich und werden deshalb jetzt und in der Zukunft keinen
Anschlag auf diese Grenzen verüben.
Der zwischen der DDR und der BRD
im Zuge des Entspannungsprozesses am Beginn der 70er Jahre abgeschlossene
Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen ist hier einzuordnen. Er ist
wichtiger Be-standteil des europäischen Vertragswerks und hat große Bedeutung
für die Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden Staaten. Sein
politisches Gewicht liegt insbesondere euch darin, daß die BRD mit diesem
Vertrag die jahrzehntelang von ihr vertretene Alleinvertretungs-anmaßung
juristisch aufgeben, auf gleichberechtigte Beziehungen ein-gehen mußte und, wie
in der Präambel festgestellt wird, „die Unver-letzlichkeit der Grenzen und die
Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in
Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen (als) eine grundlegende Bedingung für den
Frieden“ anerkannte. In Artikel 3 dieses Vertrages bekräftigten die
vertragschließenden Seiten „die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen
bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich zur
uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität“.
Unter dem Druck der Verhältnisse
und bestehender völkerrechtlicher Verträge kommt die BRD-Regierung in
Erklärungen um den Verzicht auf die Anwendung von staatlicher Gewalt gegen
Grenzen nicht herum. Doch sie verbindet noch immer die mehrfach erklärte
Anerkennung der Unverletzlichkeit der Grenzen mit revanchistischen Zielen in ihrer
Staats-politik, die in der Duldung oder indirekten Unterstützung von Anschlägen
auf unsere Staatsgrenze sowie in Forderungen zur Beseitigung unseres
Grenzregimes zum Ausdruck kommen. Hetze gegen die DDR, Verleumdung ihrer
Politik sind gang und gäbe. In der KSZE- Schlußakte wird dagegen eindeutig
gefordert, „sich unter anderem der direkten oder indirekten Unterstützung
terroristischer Tätigkeiten oder subversiver oder anderer Tätigkeiten (zu)
enthalten, die auf den gewaltsamen Umsturz des Regimes eines anderen
Teilnehmerstaates gerichtet sind. Mit Verstößen gegen diese Forderung haben wir
es seitens der BRD jedoch immer hoch zu tun. Davon können wir uns unschwer auch
an Hand der im Dokumententeil wiedergegebenen Auszüge aus dem Grundgesetz der
BRD, aus dem sogenannten Deutschlandvertrag zwischen der BRD und den drei
Westmächten, aus dem anmaßenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts der BRD
zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen u. a. m. überzeugen.
Es ist Revanchismus in Artikeln
und Paragraphen, wenn das BRD-Grundgesetz offen auf die Grenzen des Deutschen
Reiches von 1937. Bezug nimmt, wenn die BRD mit den Westmächten einen
„Deutschlandvertrag" abschließt, in dem ausdrücklich die Restauration
kapitalistischer Verhältnisse in der DDR zum Ziel erklärt wird, oder wenn das
höchste Gericht der BRD die DDR gewissermaßen zum Bundesland der BRD stempelt.
Nichts anderes bedeutet schließlich der Vergleich der Staatsgrenze der DDR mit
Verwaltungsgrenzen innerhalb der BRD.
Wir haben es hier mit der noch
heute jede BRD-Regierung bindenden innerstaatlichen Grundlage ihrer Politik
gegenüber der DDR zu tun. Auch Revanchismus und Unrecht kann also durchaus in
Paragraphen gekleidet werden. Wir kommen deshalb nicht umhin, zumindest so
lange von Revanchismus als Staatspolitik der BRD zu sprechen, bis diese
unrealistischen Positionen fallen.
Für den Angehörigen der
Grenztruppen der DDR ist stets zu beachten: Das Bundesverfassungsgericht und
die anderen Organe der BRD sind innerstaatliche Einrichtungen des imperialistischen
deutschen Staates. Ihre Kompetenz bezieht sich damit ausschließlich auf das
Territorium, die staatlichen Einrichtungen und anderen Instanzen sowie auf die
Bürger der BRD. Wir müssen jedoch in der Praxis zur Kenntnis nehmen, daß die
staatlichen Organe der BRD diese Kompetenz auf revanchistische und damit auf
eine mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbarende Art überschreiten.
Eindeutig muß deshalb
festgestellt werden: Jegliche Forderung der BRD an die DDR und ihre staatlichen
Einrichtungen sowie eine angebliche Obhutspflicht gegenüber den Bürgern der DDR
unter Berufung auf oben genannte Dokumente und Vereinbarungen weisen wir
entschieden zurück. Das ist unser souveränes Recht. Die BRD hingegen verstößt
eindeutig gegen das Völkerrecht.
Die Maßnahmen der DDR zur Wahrung
der Unverletzlichkeit der Staatsgrenze gegenüber der BRD und Berlin (West) sind
eng mit ihren Anstrengungen für die Durchsetzung und Wahrung der Menschenrechte
verbunden. Die entsprechenden völkerrechtlichen Regelungen werden durch die DDR
konsequent verwirklicht. Unter den einschlägigen völkerrechtlichen Dokumenten
ist besonders die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" zu nennen. Sie
wurde von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948
angenommen. Hier sind die Menschenrechte als das „zu erreichende gemeinsame Ideal
aufgeführt.
Die Regierung der DDR stellte in
ihrer Erklärung zum 40. Jahrestag dieser Deklaration dazu fest: Gestützt auf
die Erfahrungen des zweiten Weltkrieges sowie der Zeit des faschistischen
Terrors, In denen die elementarsten Menschenrechte millionenfach verletzt
wurden, haben die Mitglieder der Vereinten Nationen diese Erklärung formuliert.
Das Recht eines jeden auf ein Leben In Frieden ist seitdem für die Völker der
Welt oberstes Gebot. Auch die Deutsche
Demokratische Republik läßt sich in ihrer Politik davon leiten, daß das Recht
auf ein Leben in Frieden das grundlegende Menschenrecht ist. Darüber hinaus
sind die „Internationale Konvention über zivile und politische Rechte" vom
19. Dezember 1966 sowie die „Internationale Konvention über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte“ vom gleichen Tage zu berücksichtigen.
Diese Konventionen gehen als von
den Staaten ratifizierte völkerrechtliche Dokumente in ihrer Verbindlichkeit
über die in der Deklaration von 1948 enthaltene Absichtserklärung hinaus. Die
DDR ist beiden Konventionen beigetreten und setzt sie — in Übereinstimmung mit
dem Völkerrecht — in Innerstaatliches Recht um. In der „Allgemeinen Erklärung
der Menschenrechte" stellten die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen
rund drei Jahre nach der Zerschlagung der barbarischen Naziherrschaft In
Deutschland fest, daß die Anerkennung der Menschenrechte die Grundlage der
Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens In der Welt bildet. Von dieser
Formulierung ausgehend, umrissen die sozialistischen wie die kapitalistischen
Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen unter Wahrung ihrer in vielen
Einzelfragen unterschiedlichen Positionen, ihre Auffassungen von den
Menschenrechten. Neben dem bereits genannten Recht auf ein Leben in Frieden
wurden dabei u. a. angeführt:
- das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit (Art. 3);
- das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (Art. 18);
- das Recht auf soziale Sicherheit und die für die freie Entwicklung der Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (Art. 22);
- das Recht auf Arbeit (Art. 23/1);
- das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit (Art. 23/2);
- das Recht auf ärztliche Betreuung (Art. 25);
- das Recht auf Bildung (Art. 26).da
In der Praxis des internationalen
Lebens ist bis in die Gegenwart hinein das Bekenntnis zur „Allgemeinen
Erklärung der Menschenrechte" charakteristisch. Aus dieser Sicht kann man
also davon ausgehen, daß die Staatsgrenzen, auch die zwischen sozialistischen
und kapitalistischen Staaten, die Länder im erklärten Ziel der Verwirklichung
der Menschenrechte nicht trennen. Vielmehr dominiert das gemeinsame Bekenntnis
zum verbindenden Ziel der Verwirklichung der Menschenrechte über die Staatsgrenzen
hinweg. Zugleich sind jedoch die Staatsgrenzen Trennlinien in der Frage der
Verwirklichung dieser Menschenrechte; gibt es doch dabei gravierende
Unterschiede, ja Gegensätze. So ist es nur folgerichtig, daß
Menschenrechtsfragen in den internationalen Beziehungen zu einem wichtigen
Gegenstand der ideologischen Auseinandersetzung, aber auch der Zusammenarbeit
im Interesse der Erhaltung des Friedens geworden" sind.
Eine besondere Rolle spielt in
den Ideologischen Angriffen aus der BRD gegen die DDR die Berufung auf das in
Artikel 13 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ und In Artikel 12 der
„Internationalen Konvention über zivile und politische Rechte“ verankerte
Prinzip der Freizügigkeit. In der Menschenrechtserklärung heißt es dazu:
(1) Jeder Mensch hat das Recht
auf Freizügigkeit und freie Wahl seines Wohnsitzes innerhalb eines Staates.
(2) Jeder Mensch hat das Recht,
Jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen sowie In sein Land
zurückzukehren.
In den Angriffen gegen die DDR
wird nun versucht, diese Aussage zum Kern der gesamten Menschenrechtsfrage zu
machen. Dabei soll der Anschein erweckt werden, die DDR verstoße, Insbesondere
durch Ihre Maßnahmen zur Grenzsicherung, gegen Normen des Völkerrechts. Dazu
sind folgende Anmerkungen notwendig:
1. Länger als ein Jahrzehnt nach
Gründung der DDR und der BRD hat der sozialistische deutsche Staat die Grenze
zu Berlin (West) in einer Weise offen gehalten, wie sie an den Grenzen
souveräner Staaten nicht üblich ist. So war das weitgehend unkontrollierte
Passieren dieser Grenze möglich. Diese fast unbegrenzte Freizügigkeit hat der
Staat der deutschen Monopole zu einem ungehemmten Wirtschaftskrieg ausgenutzt.
Er fügte der DDR nach Berechnungen von Wissenschaftlern der BRD einen Schaden von
mehr als 100 Milliarden Mark zu. Um diese unvorstellbare Summe etwas zu
veranschaulichen, folgender Vergleich: Nach den Normativen für den Wohnungsbau
In der DDR von 1950 handelte es sich um den Gegenwert von rund vier Millionen
Wohnungen. Auch im Interesse der Wahrung der sozialen Rechte der Bürger der DDR
mußte dieser Praxis ein Ende gesetzt werden. Das stand Im vollen Einklang mit
der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte". In deren Artikel 29/2 es
Heißt: „Jeder Mensch ist in Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den
Beschränkungen unterworfen, die das Gesetz ausschließlich zu dem Zwecke
vorsieht, um die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten der anderen
zu gewährleisten und den gerechten Anforderungen der Moral, der öffentlichen Ordnung
und der allgemeinen Wohlfahrt in einer demokratischen Gesellschaft zu genügen.“
Die „Internationale Konvention
über zivile und politische Rechte“ von 1966 enthält ganz 'm diesem Sinne die
Regelung, daß die Freizügigkeit durch Gesetz Beschränkungen unterworfen werden
kann, „die zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung,
Gesundheit oder Moral oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind“.
Es gibt also keine internationale Norm, die ein mit dem Mantel der
Freizügigkeit gedecktes „Recht“ auf Ausplünderung der DDR verankert. Damit
stimmt auch das Wiener KSZE-Folgetreffen vom 15. Januar 1989 überein.
2. Auf Unkenntnis der Normen des
Völkerrechts, auf Unwissenheit legitimer Praxis souveräner Staaten wird
spekuliert, wenn das Recht auf Freizügigkeit als „Recht“ auf unkontrollierten
Grenzübertritt dargestellt und ein Anspruch auf Grenzübertritt konstruiert
wird. Hier muß man nicht in die Ferne schweifen - ein solches Recht, einen
solchen Anspruch akzeptiert auch der Staat BRD an seinen Grenzen nicht. So
wurden nach den offiziellen Angaben in den Tätigkeitsberichten des
Bundesgrenzschutzes der BRD von 1980 bis 1987 mehr als 2 Millionen. Personen
die Einreise In die oder die Ausreise aus der BRD untersagt. Die BRD
praktiziert an ihren Grenzen also durchaus keine schrankenlose Freizügigkeit.
Daran ist aus völkerrechtlicher Sicht nichts auszusetzen. Wenn jedoch Politiker
und Meinungsmacher dieses Staates unter den gegebenen Umständen einen
unkontrollierten Verkehr über die Grenzen der DDR fordern, dann ist das schlicht
Demagogie und Dummenfang, ist das ideologische Diversion gegen unseren
sozialistischen Staat. Dies wird u. a. auch dadurch deutlich, daß z. B. der
Ex-Innenminister Zimmermann für das eigene Land die Forderung erhob, beim Abbau
von Grenzkontrollen zwischen kapitalistischen Anliegerstaaten der BRD müsse
„darauf geachtet werden, daß die Belange der Inneren Sicherheit gewahrt
bleiben“. Für die BRD-Polizei fordert er in einem solchen Falle gar das Recht
zur „Verfolgung und Nacheile über die Grenzen hinweg".
Angesichts der noch immer
verfolgten offiziellen Zielsetzung der BRD, unter den Losungen einer angeblich
„offenen deutschen Frage" und einer angestrebten „Einheit in
Freiheit" die kapitalistischen Verhältnisse in der DDR zu restaurieren,
bedarf die Verwirklichung der Menschenrechte im sozialistischen deutschen Staat
auch an der Grenze zur BRD und zu Berlin (West) des zuverlässigen Schutzes. Mit
der Durchsetzung der mit dem Völkerrecht in Einklang stehenden gesetzlichen
Ordnung an der Grenze unseres Landes, schützen die Grenztruppen die
Verwirklichung der Menschenrechte In der DDR.
Die DDR hat hier keinen
Nachholbedarf. Auf der Grundlage immer weiter ausgestalteter rechtlicher
Regelungen auch für den grenzüberschreitenden Verkehr, sind das Recht auf
Freizügigkeit in der DDR verwirklicht. Immerhin gab es z. B. 1988 rund 6,7
Millionen Reisende aus der DDR in die BRD und nach Berlin (West). Die
Gesamtzahl der Reisenden aus der DDR in das nichtsozialistische Ausland betrug
fast 7 Millionen. Im Gegenzug kamen rund 5,5 Millionen Reisende aus der BRD und
aus Berlin (West) in den sozialistischen deutschen Staat. Statistisch kommt
also auf mehr als jeden dritten Bürger der DDR eine Reise in die BRD oder nach
Berlin (West), aber nur auf rund jeden zwölften Bürger des kapitalistischen
deutschen Staates und der selbständigen politischen Einheit Berlin (West) eine
Reise in den sozialistischen deutschen Staat. All dies selbstverständlich unter
strikter Wahrung der staatlichen Gesetzgebung der DDR - ganz im Sinne des Völkerrechts.
Eine entscheidende Bedingung für
diese Entwicklung ist die zuverlässige Sicherung und Kontrolle an unserer
Grenze, die am 13. August 1961 hergestellt wurde. Erst sie schuf die
Voraussetzungen, daß der DDR durch den grenzüberschreitenden Verkehr kein
vermeidbarer Schaden zugefügt werden kann.
Die DDR sieht die Menschenrechte in
ihrer Gesamtheit. Nach unserer Meinung sollten in der internationalen
Auseinandersetzung um die Verwirklichung der Menschenrechte die
imperialistischen Anfeindungen durch einen realen Wettstreit um ihre
Verwirklichung ersetzt werden. Es wäre für Millionen Arbeitslose, Kranke usw.
in der BRD ein Segen, wenn der imperialistische deutsche Staat hinsichtlich
dieser Rechte eine ähnliche Entwicklung vorweisen könnte, wie sie in der DDR
Wirklichkeit ist — von sozialer Sicherheit bis hin zur deutlichen Erhöhung der
Zahl von Auslandsreisen sowie ihrer rechtlichen Regelung und Erweiterung im
Dezember 1988 als Ausdruck der in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht von der
DDR praktizierten Freizügigkeit.
3. Es mutet deshalb mehr als
merkwürdig an, mit welcher Unverfrorenheit sich die Meinungsmacher des
deutschen Imperialismus auf die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“
berufen, die ja ausdrücklich jedem Menschen das Recht auf soziale Sicherheit,
das Recht auf Arbeit, das Recht auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit, das Recht
auf Bildung und weitere Rechte zugesteht, die in der
DDR-Selbstverständlichkeiten des täglichen Lebens - in der BRD jedoch
unerreicht sind. So besteht z. B. im sozialistischen deutschen Staat das in der
Verfassung verbriefte Menschenrecht auf Arbeit. Dagegen herrscht im
Imperialistischen deutschen Staat Massenarbeitslosigkeit. Auf der
sozialistischen Seite der Staatsgrenze wird kostenlose Gesundheitsfürsorge
täglich verwirklicht, aber auf der Imperialistischen Seite zwingen Reformen die
Kranken immer kräftiger zur Kasse. So ist nach wie vor das bittere Wort: „Weil
du arm bist, mußt du früher sterben" Realität. Wie es in der BRD um die
Verwirklichung der Menschenrechte steht, das machte die „Frankfurter Rundschau“
In einem Beitrag deutlich, der dem vierzigjährigen Bestehen dieses Staates
gewidmet war. Ausdrücklich wurde dort festgestellt: „Die Bundesrepublik ist
faktisch nicht in der Lage, die Geltung der Grundrechte (d. h. der
Menschenrechte, der Autor) auch für diejenigen zu garantieren, die auf Sozialhilfe
angewiesen sind oder die als Kranke, Alte oder »Aus der Bahn Geworfene« allein,
in Krankenhäusern oder in Heimen dieser oder jener Art leben müssen.“ Hier wind
deutlich, welche Gegensätze an der Staatsgrenze der DDR zur BRD aber auch zu
Berlin (West) aufeinandertreffen, was die Staatsgrenze voneinander trennt.
Diese realen Gegensätze sind es, die eine trennende Wirkung der Staatsgrenzen
erzwingen. Hier kann es und wird es für die Übertragung kapitalistischer
Verhältnisse in den sozialistischen deutschen Staat keinerlei Freizügigkeit
geben. Zeitgemäß sind heute nicht Versuche, unter dem Vorwand der Freizügigkeit
die politische Ordnung der DDR zu untergraben. Zeitgemäß sind vielmehr echte
Vergleiche der in den Staaten tatsächlich verwirklichten Menschenrechte.
Zeitgemäß ist ein Wettbewerb um die Verwirklichung aller Menschenrechte Im
Komplex. Was unseren Staat betrifft, so hält er sich konsequent an
völkerrechtliche Normen und Vereinbarungen.
Indem die Grenztruppen der DDR
alle Anschläge auf die Staatsgrenze der DDR zur BRD und zu Berlin (West)
politisch verantwortungsbewußt, taktisch zweckmäßig, entschlossen und besonnen
zugleich abwehren, haben sie einen entscheidenden Anteil daran, daß die Normen
des Völkerrechts zum stabilisierenden Element in den internationalen
Beziehungen werden.
—Oberstleutnant Dr. phil. Artur Pech—
Kommentare
Kommentar veröffentlichen